Torsten Pelka
Torsten Pelka, geboren 1963 in Köln, nach Kindheit und Jugend in München, seit 1987
wieder im Rheinland ansässig. Nach Jura-Studium und kaufmännischer Ausbildung lange Jahre im Management tätig, seit Anfang der 1990´er
publizistisch und journalistisch tätig. Erste literarisch-journalistische Schritte bereits in der Schulzeit.
Vielfältige Aktivitäten im Kreativen; Photographie, Autorentätigkeit, Malerei, freie Zeichnung, plastisches Gestalten. --- Sieht Sprache als
pulsierendes, lebendiges Wesen; bevorzugt den ironisch-filigranen Umgang mit Worten statt brachialer Verbalität; erklärter Anhänger des Blickes
in die ganz alltäglichen Skurrilität und die Untiefen des Seins.
Falsch Stieglitz - Kurzkrimi
„Falsch“, sagte Stieglitz, ganz ohne Geschrei. Wem hilft auch schon Geschrei wenn das Opfer von wütender Hand gemeuchelt auf kalter Fläche liegt. Geschrei hilft keinem, nicht mal Stieglitz. Stieglitz, Magier der unsichtbaren Spuren, der ungesagten Aussagen, passionierter Sager des Nichtssagendem. Wie er da steht in seinem billigen Trenchcoat, zerknittert wie der seines großen Vorbildes und doch kratzen die Fahrradklammern in der zerbeulten Cordhose ein wenig am kriminalistischen Universalimage. „Falsch“, was ist „falsch“. Dass das Opfer tot ist? Dass der Täter nicht brav detektivinvestigatives Handeln erleichternd daneben steht? Oder dass Stieglitz friert in seinem dünnen Mäntelchen weil mehr das Kleinbeamtengehalt nicht hergibt?Falsch ist bestimmt auch, dass Stieglitz noch nicht weiß, wie das Opfer überhaupt vom Diesseits in ein vielleicht hoffentlich eventuell besseres Jenseits befördert wurde. Gab es übrigens einen gültigen Beförderungsvertrag?
Auch das etwas, das im Land der
Vorschriften und Regeln, dessen Recht Stieglitz zu vertreten angetreten
ist, nicht ohne Wichtigkeit ist, sein darf. Wer ist das Opfer überhaupt?
Wie hat es gelebt als es noch lebte? Hat es gelebt- nicht nur im Sinne
eines systemkonformen Funktionierens sondern mit Singen, Freude, Lachen,
Lieben, Spaß am Leben. Wohl kaum. So viel steht fest. Schon jetzt.
Warum? Sieht Stieglitz doch auf den ersten Blick. Mal wieder so ein
armes Würstchen, das einsam vegetierte bevor letztlich als Akt einer
perfiden Gnade es final aus dem Leben disqualifiziert wurde. Falsch
auch, dass blutigrotes Flüssig das Opfer umspült, Spuren, Hinweise
überströmend, das kriminalistisch adlerscharfe Auge des Vogels, nein des
Stieglitz, verwirrend, zu irritieren suchend. Klar, brutal klar ist nur:
Der Täter muss Mittäter gehabt haben, doch die sind sich keiner Schuld
bewusst, wie so oft in unserem Staat der Nichtwissenden und
Mitlaufenden. Die haben, folgert Stieglitz stirnrunzelnd, ihriges dafür
gesorgt, dass das Opfer sich fügsam der letzten Reise unterwarf, bevor
es dort, auf jener klinisch glänzenden Fläche im Kreisrund landete.
Bevor Riesenhand es niederschmetterte, stauchte, quetschte, hineinstieß
in jenes sämig schäumende Rot. „Falsch“, sagte Stieglitz, ganz ohne
Geschrei. Falsch, überall und jederzeit Bösartigkeit, Verbrechen,
Vergehen, Untat zu sehen. Zumal schließlich auch die Mittagspause nicht
ewig währen würde, ewig wie der Widerstreit zwischen Gut und Böse.
„Falsch“, sagte Stieglitz, ganz ohne Geschrei, sich immer und jederzeit
über alles und jedes Gedanken zu machen. So nahm er dann die Reste jenes
wehrlosen Würstchens, tunkte es ein letztes Mal in die ebenso traurigen
Saucenreste und machte sich auf, die Welt zu retten. Zumindest einen
kleinen Teil davon. Bis Dienstschluss. Ordnung muss sein.